Ohne ihn sollten sich Auto- und Motorradfahrer nicht auf die Straße wagen: den Führerschein. Die deutschlandweite Fahrerlaubnis feiert 100-Jähriges. Ein Rückblick.
Sie kannten weder Stoppschild noch Promillegrenze: Als die frühen „Automobilisten“ vor 100 Jahren die ersten Führerscheine bekamen, gab es nur wenige Verkehrsregeln. Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., führte vor einem Jahrhundert dennoch die Fahrerlaubnis ein, die deutschlandweit gültig war. Er nannte sie „Führerschein“. Am kommenden Sonntag wird der „Lappen“, wie der Volksmund den Schein später taufte, 100 Jahre alt.
Bis zum 3. Mai 1909 galten in den einzelnen Fürstentümern unterschiedliche Vorläufer des Führerscheins: Wer mit einer „Chauffeur-Befähigung“, oder einem „Prüfungsattest für Explosionsmotoren“ in der falschen Provinz in eine Kontrolle geriet, wurde nicht selten verhaftet. In Düsseldorf sind nun, zum 100. Jubiläum, die ersten Führerscheine und ihre Vorläufer ausgestellt.
„Massenweise totgefahren“
Im Jahr 1909 herrschten auf deutschen Straßen noch Wildwest-Manieren. „Die haben sich damals massenweise totgefahren“, sagt Verkehrshistoriker Mika Hahn. Das Risiko, bei einem Autounfall zu sterben, war 1907 – gemessen am Autobestand – 60 Mal höher als 100 Jahre später. Damals rollten nach offiziellen Schätzungen allerdings auch nur rund 40 000 Autos durch das Land. Inzwischen meldet das Statistische Bundesamt etwa 50 Millionen Wagen und geht von etwa ebenso vielen Führerscheinen aus.
Die ersten Fahrschulen hießen vornehm „Chauffeur-Schulen“. „Dort lernte man weniger über Verkehrsregeln und mehr über Technik – zum Beispiel „wie wechsle ich eine Zündkerze aus“, berichtet Hahn. Angesichts der häufigen Pannen sei das ein „Muss“ gewesen. „Das Auto war zu Beginn ein Spielzeug der Reichen.“ Zur Fahrprüfung mussten die Schüler damals ihr eigenes Fahrzeug mitbringen. In den 20er-Jahren hieß es in den Lehrbüchern noch, Bremsmanöver seien durch Heben der Hand anzuzeigen – Bremsleuchten waren noch kein Standard.
Erst der Ehemann, dann die Frau
Bis 1958 mussten Frauen eine Erlaubnis ihres Gatten vorweisen, bevor sie den Führerschein machen konnten. Dafür gab es damals noch keinen „Führerschein auf Probe“. Er wird für Fahranfänger erst seit 1986 vergeben. Die letzte größere Reform in den vergangenen Jahren war die Herabsetzung des Mindestalters für Prüflinge auf 17 Jahre.
Fast 140 000 Autofahrer müssen zurzeit pro Jahr wegen Verkehrsverstößen ihren „Lappen“ abgeben. Rund eine Million fallen im Jahr bei der Führerscheinprüfung durch. Seit 1958 ist das „Gedächtnis“ für Verkehrsverstöße im Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg angesiedelt. Wer 18 und mehr „Punkte in Flensburg“ hat, ist den Führerschein erst einmal los. Knapp neun Millionen Autosünder sind in Flensburg registriert. Die meisten sind zu schnell gefahren, haben am Steuer telefoniert oder waren unter Drogeneinfluss unterwegs.
Praktische Verkleinerungen
Im Lauf der Jahrzehnte ist der Führerschein immer kleiner geworden: Aus dem großen grauen „Lappen“ wurde 1986 ein kleineres rosafarbenes Faltpapier. Seit 1999 gibt es den EU-Führerschein auf Grundlage der nationalen Richtlinien als Plastikkarte im Scheckkartenformat. Einen Waschgang übersteht er nun sicher.
Inzwischen zeichnet sich aber das Ende des deutschen Führerscheins ab: Von 2013 an sollen nur noch einheitliche, europäische Fahrlizenzen ausgestellt werden. Bis 2033 sollen alle Altformate verschwinden. Derzeit sind noch sechs deutsche Führerscheinvarianten in Gebrauch, darunter die alte „Fahrerlaubnis“ der DDR – das Wort „Führer“ missfiel den DDR-Oberen aus historischen Gründen.
Quelle:
http://www.focus.de/auto/unterwegs/jubilaeum-fuehrerschein-wird-100_aid_395280.html